4.
Die Nacht auf Dienstag war miserabel. Meine Welt dreht sich irgendwie nicht mehr richtig und ich finde kaum noch in den Schlaf. Seit diesem Wochenende ist alles um mich herum, einschließlich mir selbst, defekt. Ich werde bestimmt krank, anders kann ich mir nicht erklären, was mit mir los ist. Kati ist ausgeflippt. Ihr Verständnis für mein Besäufnis am Freitag, für meinen Spaßfaktor im Allgemeinen und für mein spätes Nachhausekommen am gestrigen Abend, ist gleich null. Verübeln kann ich es ihr nicht, denn ich verstehe mich selbst nicht mehr.
Nach einem langen Gerichtsprozess und der Aufarbeitung von zwei weiteren Fällen tragen mich meine Füße wieder zum
Black Stage. Es sind zwei neue Fälle, die meine gesamte Aufmerksamkeit fordern. Das hat mir kurzfristig geholfen abzuschalten. Mich wenigstens für ein paar Stunden zu konzentrieren und den Fokus von Chris wegzulenken. Aber jetzt hab ich Feierabend und da schwirren wieder diese grünen Augen durch meine Gedanken. Ich laufe einfach los, immer weiter. Hin zu Chris. Mit einer Portion Unsicherheit im Gepäck, gepaart mit wenig neuem Mut, aber immerhin, und einer Karte in meiner Tasche. Eine Karte, die mir den Zugang zum VIP-Bereich sichert. Dachte ich’s mir doch. Mein Chef hat gegrinst und in seinen Schreibtisch gegriffen. Ich hab mich nur kurz gefragt, ob er
Lounge 1 oder
Lounge 2 bevorzugt. Außer vor Gericht, ist er ja nie sehr redselig. Uli verliert lieber weniger Worte, statt zu viele davon. Aber eine Mimik sagt manchmal schon mehr als tausend Worte, nicht wahr?
Jetzt stehe ich vorm Eingang des Clubs und bin genauso früh dran wie gestern. Weiß nicht, was ich hier zu finden glaube. Aber mit Chris muss ich noch mal reden. Ich bin zwar ein Arsch und echt versnobt, aber ich weiß eigentlich schon, was sich gehört. Ich war ja nicht gerade sehr nett zu ihm.
Meine Nervosität steigt mit jeder Minute weiter an. Das ist ein gefährliches Pflaster hier. Seit drei Tagen zu heiß für mich. Ich hab mir Zigaretten gekauft. Eigentlich bin ich Nichtraucher und trotzdem ziehe ich mir gerade die Zweite rein. Widerlich ist es schon, aber es lenkt auch ab. Da weiß ich wenigstens, woher die Vernebelung in meinem Gehirn kommt. Das Nikotin und all das andere Gift, das da drin ist, schlagen schon heftig auf den Blutkreislauf. Hätte ich nie gedacht. Hat mich auch nie interessiert. Mein Fazit: Raucher werde ich wohl nicht. Ich trete das Ding aus und warte weitere fünf Minuten. Die Dritte landet in meinem Mund. Langsam gewöhne ich mich daran.
Da kommt er und ich kann nicht vermeiden, ihn mit offenem Mund anzustarren. Gut sieht er aus! Verdammt gut! Älter als gestern und verdammt kantig und männlich, irgendwie rau und geheimnisvoll. Das Licht in dem Schuppen scheint zu verzerren. Spiegelt Jugend und Weichheit vor. Ich bewege mich auf ihn zu und blockiere somit seinen Weg. Abrupt stoppt er und hebt den Kopf. Er war in Gedanken. Es dauert einen Moment, bis er den Blick fokussiert und mich wirklich wahrnimmt. Doch sagen tut er nichts. Steht da und sieht mich an. Wissend. Sich erinnernd. Auf Augenhöhe. Mit braunen Haaren, ein gutes Stück heller als meine, und einem leichten Bartschatten. Im Schritt gestutzt, ja, ich weiß es noch. Grandioser Anblick!
„Hi!“
Wow … Applaus, Cameron! Sehr ausgefallene Begrüßung.
„Hi.“ Seine Braue wandert nach oben, sein Mundwinkel spöttisch nach unten und sein Gesicht kommt mir näher. Und irgendwie tut’s mir leid, doch mein Fuß geht nach hinten, nimmt Sicherheitsabstand. Besser so. Wirklich! Will nur was klarstellen und wieder verschwinden.
„Chris, ich … möchte mit dir reden.“ Beginnt man so? Ich weiß es nicht. Diese undefinierbaren Gefühlsausbrüche, die mich seit Tagen plagen, sind Neuland für mich. Mit einem Callboy in Kontakt zu treten gehört auch nicht zu meinem täglichen Programm. Ich kenne mich nicht mehr aus. Das hier ist eine Welt, die nicht meine ist.
Ich möchte so gerne zurück, würde alles dafür tun. Doch Kati hat dicht gemacht. Gestern ist es passiert. Sie hat ihre Tasche gepackt und mich angeschrien, weil ich so spät nach Hause gekommen bin, zudem völlig fertig war und mich auf ihre Vorwürfe hin auch noch ausgeschwiegen hab. Wenig später hat sie die Wohnung mit einer gepackten Tasche verlassen. Wollte zu ihren Eltern und morgen, da kommt sie wieder. Sie hat’s mir versprochen. „Wenn du wieder richtig im Kopf bist“, hat sie gesagt und ich hab ihr versichert, dass sie sich auf mich verlassen kann.
„Über was genau?“ Provozierend sieht er mich an und holt mich aus meinen ausschweifenden Gedanken zurück. Zurück zu ihm!
„Was ich gestern zu dir gesagt habe …“
„Weißt du“, unterbricht er mich rigoros, kneift die Augen zusammen und senkt gefährlich seine Stimme. „Es war verletzend. Mag ja sein, dass ich in deinen Augen nur eine unbedeutende, männliche Nutte bin. Ich verdiene mein Geld eben nicht, indem ich geschniegelt herumlaufe und Leute bescheiße, was ja auf jeden zweiten Job bei Anzugträgern wie dir zutrifft. Dennoch: Ich lasse nicht so mit mir reden. Das war persönlich und weit unter der Gürtellinie. Mehr habe ich nicht mehr hinzuzufügen. Ich bin fertig mit dir.“
Wow. Der ist sauer. Und zwar hochgradig. Was heißt denn überhaupt fertig mit mir? Fertig mit was? Was meint der? Ich … na ja … ich will eigentlich nicht, dass er fertig mit mir ist.
„Es tut mir leid, Chris. Es war nicht so gemeint. Ich rede mich gerne mal um Kopf und Kragen und …“ Der Rest meiner Worte geht unter, denn ich bin beschäftigt mit gucken. Er sieht echt gut aus. Hat was unglaublich Anziehendes, Magnetisches an sich. Sein Blick hält mir stand. Ich schlucke und bemühe mich um Fassung. Trete vor und berühre ihn. Unabsichtlich und rein zufällig mit meiner Hand an seinem Arm. Mein bescheuerter Muskel rast los. Ich suche was in seinen Augen. Irgendwas! In diesem unerbittlichen, aber echt schönen Grün. Eher dunkelgrün. Kann nicht mal sagen, ob ich es schon gefunden hab, denn ich suche einfach weiter und verliere mich fast. Er bleibt völlig cool, lässt’s mich zumindest glauben. Und dann … ich weiß nicht, wie das passiert ist, aber ich beuge mich vor und … er tritt zurück!
„Ich bin heute fest gebucht und muss jetzt reingehen“, unterbricht er den Augenblick. Den echt schönen Moment. Aber immerhin mit nicht mehr ganz so scharfem Tonfall, wie seine Abfuhr eben. „Deine saubere Welt ist nicht meine. Und dein Versuchskaninchen bin ich auch nicht.“
„Nein … das … bist du wohl nicht.“ Schon irgendwie, aber zugeben will ich’s ja auch nicht.
„Geh zu deiner Verlobten. Ist besser für dich.“
Gott, woher weiß er das? Ich hab’s ihm gesteckt. Gestern, als mein Kopf nicht mehr richtig funktionierte.
„Hast du dein Rohr, für das ich gestern verantwortlich war, zu Hause schön versenkt?“
„Nein … ich …“
„Nein? Was dann? Bist du um die Ecke, hast dir einen gewichst und dabei an mich gedacht?“
Ich schlucke, trete abermals vor und er bleibt tatsächlich stehen. Ich kann ihn spüren, ihn riechen, hole noch mal extra tief Luft durch die Nase und würde gerne noch einen Schritt vorgehen, aber das traue ich mich wiederum nicht.
„Wann ist denn die Hochzeit?“, lenkt er abermals mit gesenkter Stimme ein und sein Mund ist so nah. Nur ein paar Zentimeter, schießt es mir durch den Kopf, nur ein wenig nach vorne beugen …
„In drei Tagen“, antworte ich flüsternd und atemlos und Chris lacht auf, reißt mich an sich. Gräbt kurz seine Zähne in meine Lippen, bevor er grob und frei von allen Zwängen und Grenzen mit seiner Zunge in meinen Mundraum vorstößt. Das Metall klappert an meinen Zähnen, drückt sich in meine Zunge, spielt mit mir und macht mich rasend und geil. Nimmt mir einfach die Luft. Viel zu kurz dauert der Überfall, bevor er mich von sich stößt, hart und vehement, und wieder zurücktritt. Zu weit und zu schnell. Ich keuche laut auf und in mir splittert’s.
Was? War? Das? Wow …
„Na dann … Ich wünsche dir eine schöne, verlogene Feier in deiner schönen, verlogenen Welt. Deine Entschuldigung ist angekommen. Du kannst wiederkommen, wenn du weißt, was du willst! Wo du mich findest, sollte dir ja jetzt bekannt sein. In der Regel oben in der Lounge und mich zu buchen, kostet ein bisschen was extra. Vor allem, wenn’s eine Einzelnummer werden soll.“
Was? Wieso sagt er das? Was ist schief gelaufen?
Jetzt sag schon! Ich will ihn anschreien, ich versteh’s nicht.
„Chris, ich … Wie heißt du wirklich?“
„Christopher. Mach’s gut, Heterofreund!“
„Mein Name ist Cameron und …“
„Interessiert’s mich?“ Dann dreht er ab und verschwindet. Rein in die Sexhöhle und ich stehe da und fühle mich beschissen. Verletzt und zertreten. Wie zerkaut und ausgespuckt. Er will mich nicht. Ihn interessiert nicht mal mein Name und das trifft mich tiefer, als ich zugeben möchte. Ich will ihn, verdammt noch mal, doch auch nicht, so wie er das vielleicht denkt. Dennoch kann man höflicher miteinander umgehen, oder? Deutlich war’s auf jeden Fall! Mein Muskel schlägt bis zum Hals hinauf. Ich bin nur ein dämlicher Kunde, der gestern zufällig da war, als er Leerlauf hatte. Klar, ne?
Und jetzt? Ich greife mir an den Kopf und ringe um Fassung. Presse die Lippen aufeinander, schmecke und spüre ihn immer noch, den harten Druck und die Wärme seines Kusses, und könnte mich treten. Was mache ich hier? Was zum Henker, hat mich heute eigentlich hierher getrieben? Meine Entschuldigung war für’n Arsch. Aber so was von. Der ist doch die rüde Ansprache gewohnt. Ausgelacht hat der mich. Versnobter Hetenarsch, der ich bin. Ein Kunde halt. Namenlos und morgen vergessen! Das Schlimme daran ist: Ich verstehe ihn sogar. Irgendwie wenigstens. Wer ist schon gerne Versuchskaninchen? Recht hat er. Ich sollte heimgehen. Kati anrufen und um Verzeihung bitten.
Ich fühle mich leer und laufe los. Laufe immer weiter und die Leere bleibt. Dörrt mich aus und hält sich wie eine Konstante. Hartnäckig und kalt. Ich kann nicht heim. Merke es erst, als ich bei Micky ankomme und durch die marode Eingangstür die Treppen zu seiner Wohnung hochgehe. Weiß nicht mal, was ich hier überhaupt zu finden hoffe. Aber heim will ich nicht. Da ist niemand. Ich brauche jetzt jemanden zum Reden. Mehr noch, zur Ablenkung. Da Micky hier in der Innenstadt wohnt, ist er für mich am schnellsten erreichbar. Tjard wohnt außerhalb und Busse … der wird’s kaum verstehen. Der mag Kati nämlich ziemlich gerne und hat mir gerade erst die Tage gesteckt, dass er meine Aktion vom Freitag nicht gutheißt und er der Einzige war, der mit dem Verlauf meines Junggesellenabschiedes keinen Vertrag hatte.
Micky ist zudem schwul … das ist dann wohl der zweite Grund, weshalb ich mich hierher verirrt hab. Ich donnere gegen die Tür zu seiner Wohnung. Mehrfach. Doch er ist ausgeflogen. Sauberfreund! Jetzt? Wieso ausgerechnet heute, hm? Wo er doch für meinen Zustand verantwortlich ist. So ein bisschen wenigstens. Ich möchte es mir wenigstens gerne einreden.
Beim Nachbarn geht die Tür auf. Was soll ich sagen: Erschöpft sehe ich in die Augen von Till, der mir nur kurz zunickt und meinen Zustand mit einem Blick zu erfassen scheint. „Micky kommt erst um halb zehn nach Hause. Du siehst mitgenommen aus, Cameron.“
Erschlagen von meinem inneren Chaos lehne ich mich gegen die Wand und rutsche daran herunter. Soweit, bis mein Hintern auf dem Boden aufkommt. Ich bin fertig. Ausgelaugt. Verwirrt. Unsicher. Wo ist rechts? Wo ist links? Wer bin ich eigentlich? Wer zum Teufel ist Cameron? Knutscht mit einem Homo auf offener Straße. War das überhaupt ein Kuss? Was war das? Eher ein Überfall! Heiß war es auch. Grob und gnadenlos prickelnd. Perfekt! Es hat gezogen bis in die Lenden und Blitze durch mich gejagt. Nicht zart. Nicht sanft. Nicht wie bei Kati. Bin ich etwa schwul? Kann doch gar nicht sein.
Ich will zu Kati. Wieso kann ich nicht einfach zu Kati zurück? Morgen, versichere ich mir. Morgen kommt sie zurück. Dann reden wir, und heute? Heute rede ich mit Micky. Der kriegt mich wieder hin. Ganz sicher! Er ist ein guter Redner, wenn es darauf ankommt. Überzeugend kann er sein, aber auch ein schweigsamer Zuhörer, wenn seine Meinung nicht gefragt ist.
„Komm doch erst mal rein. Du kannst in meiner Wohnung auf ihn warten.“
Ich zögere. Hebe bleiern den Kopf und meinen Körper hinterher. Langsam bin ich, als ich an ihm vorbei schleiche und in sein Reich eindringe. Nett hat er’s hier. Wirklich nett. Viel ordentlicher als bei Micky in der Bude. Aufgeräumt. Geradezu weiblich sauber. Vorurteilen sei Dank! Die Couch ist mein Ziel und Till setzt sich zu mir. Mustert mich und versucht, meine Gedanken zu erraten. „Ist was passiert?“, möchte er wissen.
„Wie alt bist du eigentlich?“ Gegenfrage! Ich bin Anwalt, werde nicht gerne ausgefragt.
„Ist das wichtig?“
„Ist es geheim?“
„Achtundzwanzig. Was ist passiert?“, beharrt Till weiter und ich verdrehe seufzend die Augen. Schon gut. Dann rede ich eben mit Till. Ist ja auch ein Homo, der süße Untenlieger. Vielleicht hat er Antworten für mich.
„Seit wann weißt du, dass du schwul bist?“
„Eigentlich schon immer. Wie Micky auch. Ich wusste es einfach irgendwann. Mit zwölf oder dreizehn ist es mir wirklich bewusst geworden. Stört es dich?“
„Nein! Hab nichts gegen euch. Wie merkt man das?“
„Was? Dass man schwul ist? Ich weiß nicht.“ Er zuckt mit den Schultern. „Man merkt es halt. Ich konnte meine Augen kaum von Jungs abwenden, die mir gefielen. Für Mädchen hingegen hatte ich nicht mal einen müden Blick übrig. Die haben mich einfach nicht gereizt, optisch nicht angesprochen, wohingegen ich beim Sport in der Umkleidekabine kaum wusste, wo ich zuerst hinschauen sollte. Schwierige Zeit. Man wollte ja auch nicht auffallen. Zurück zu dir. Was ist passiert? Du siehst fertig aus.“
„Nichts ist passiert. Ich bin eben von einem von euch geküsst worden!“
Till zieht zischend die Luft ein und seine Brauen schnellen in die Höhe. „Oh … Wo kommst du denn her, dass dir so was passiert?“
„
Black Stage!“
„Ach … okay … das ist nicht mein Club. Ich gehe lieber in Bars und Clubs, wo wir unter uns sind. Im
Black Stage sind mir zu viele Frauen. Und?“ Er grinst plötzlich. „War’s denn gut?“
„Keine Ahnung.“ Ja, irgendwie schon. „Es war wohl eher ein Statement. Geh nach Hause zu deiner Frau, hat er anschließend gesagt.“
„Oh … und? Hast du was dabei empfunden?“
„Ich weiß nicht.“ Ja, irgendwie schon. „Es hat wehgetan.“
Kurz lacht er auf, bevor er das Kreuzverhör fortsetzt. „Wie kann ein Kuss wehtun?“
„Es tut immer noch weh!“
„Oh …“ Till steht von der Couch auf und geht vor mir in die Hocke. Stupst mich an, bis ich den Kopf hebe und in seine grauen Augen starre. Dunkelgrün sind sie nicht. Aber schön schon! Mitfühlend streichelt er über meine Knie. „Wer war es denn, wenn ich fragen darf? Gekannt habt ihr euch schon, oder?“
Kennen? Was ist das schon? Ist doch sowieso egal, oder? Ich brauche kein Mitleid. Ich will doch einfach nur, dass es aufhört, sich so komisch anzufühlen. So verzehrend. Chris hat nicht mal interessiert, wie ich heiße.
Ich bebe los, es breitet sich in mir aus, wie ein Unwetter in Orkanstärke, und ich raste noch in dieser Sekunde aus. Völlig unkontrolliert entlädt sich die Spannung. Alles, was sich in mir aufgestaut hat. Ich brülle ihn an, springe auf und kann’s nicht mal stoppen. Ich tobe und werde immer lauter. „Ist das wichtig? Ist das wirklich wichtig? Ihr seid doch sowieso alle gleich. Heute der, morgen der. Scheiß doch drauf, Till. Ehrlich! Euch ist doch völlig egal, mit wem ihr’s treibt. Hauptsache einer hält den Arsch hin und einer darf rein, oder? Hauptsache, es sind zwei Schwänze und zwei Ärsche vorhanden. So läuft das doch. Was ist da schon ein Kuss? Fühlt ihr eigentlich auch was? Was treibt euch an, hm? So eine verfickte … Ehrlich wahr! Findet’s noch lustig, wenn ihr Betrug im großen Stil durchzieh’n könnt, indem ihr euch als Frau ausgebt und verarscht unsereins.“ Ich ringe nach Luft. Keuche auf und setze noch einen drauf. Jetzt ist es sowieso egal. „Weißt du was? Ich gehe jetzt. Hab echt genug und die Schnauze gestrichen voll. Ich gehe und hole Kati zurück. Da weiß ich wenigstens, woran ich bin. Ich könnte echt kotzen. Und ich flippe aus, wenn mir noch mal einer an die Wäsche geht. Steht mir das auf die Stirn geschrieben, was? Sag’s mir, Till. Spuck’s schon aus. Steht da etwa: Cameron will’s wissen? Fasst ihn an, knutscht ihn ab, steckt ihm die Zunge in den Hals, holt ihm einen runter. Lutscht ihm einen. Irgendwann, so Gott will, wird er schon glauben, dass er einer von uns ist? So eine verdammte …“ Ich presse die Lippen zusammen und schlage auf die Wand ein. Haut reißt. Fuck, tut das weh! Das war Rauputz! Alles schmerzt, zieht rauf bis in den Arm. Blut tropft.
Ich bin am Ende. Kaputt. Zerstört. Völlig fertig und Till fängt mich auf. Wortlos. Obwohl ich doch recht schwer bin. Doch er ist tapfer und geht mit mir zu Boden.
„Schhhh … Komm wieder runter, Cameron. Bitte! Du bist ja voll durch den Wind.“
Ich könnte auf der Stelle losheulen. Aber ich verkneif’s mir. Drücke sie weg, die Feuchte in den Augen, und beiße die Zähne zusammen. Verkrampfe mich und irgendwie schüttelt’s mich dann doch. Ich kann’s nicht mehr zurückhalten. Will ich auch gar nicht mehr. Doch Till hält mich. Hat sich hinter mich gesetzt und zieht mich in seine Arme, bis mein Rücken an seine Brust andockt. Er drückt mich und murmelt beruhigende Worte. Schmust mit mir, indem er seinen Kopf auf meine Schulter legt. Es tut so gut. Genauso gut, wie bei Chris gestern im Club auf dem Sofa, als er mich mit seinem Mantra beschwören wollte. Ich kann einfach nicht mehr. Was ist los mit mir?
Möchte so gerne heim! Meine Krawatte wird gelockert und mein Sakko von den Schultern geschoben. Ich lasse es wortlos und ohne Gegenwehr geschehen. Meine Kraftreserven sind erschöpft und die Hand … die sieht nicht nur hinüber aus, sondern fühlt sich auch echt kaputt an.
Wie ich! Wie alles von mir. Till hat Geduld, wiegt mich wie ein Kleinkind und presst ein Taschentuch auf meine Hand, die er in seiner festhält. Er murmelt so lange, bis ich zur Ruhe finde. Ein bisschen wenigstens. Ich entspanne und lasse mich vollends gegen ihn sacken. Das ist alles total abgefuckt. Till wartet, bis auch meine letzten Tränen versiegt sind, bevor er sich erhebt und mit ihm die Wärme hinter mir wieder verschwindet. Mein Kopf sackt nach unten, während ich meine Hände in die Haare schiebe und verzweifelt daran reiße, das Blut verschmiere. Es ist mir egal. Ich kann nicht mal aufsehen, sondern starre beschämt zu Boden, auf den Blutfleck, der zwischen meinen Beinen im Teppich eingesickert ist. Ich bin ja selbst schuld. Wäre ich nicht so neugierig, würde ich jetzt gemütlich zu Hause sitzen. Kati wäre bei mir. Würde mich lieben, mich umsorgen. Für mich kochen und auf den Freitag hinfiebern. Ich hab eine verdammte Scheißangst. Vor mir selbst und vor morgen. Vor übermorgen. Vor Freitag erst!
Till kommt wieder. Kniet vor mir nieder, zwischen meine Beine, und greift meine Hand. Sieht mich an, als ich hochschaue und wartet, bis ich meine verkrampfte Faust löse. Nichts war’s mit Spannung rauslassen. Mein Anfall von Aggression hat überhaupt nicht geholfen. Zärtlich tupft er an mir rum. Sprüht was drauf, was mir ein Zischen entlockt, und betrachtet sich die Knöchel, während es in mir immer noch bebt.
„Ich bin zwar kein Arzt, aber ich könnte mir vorstellen, dass das versorgt werden muss. Soll ich dich ins Krankenhaus fahren?“
Nein! Nur das nicht. Ist doch nur aufgeplatzt. Nichts Schlimmes. Ich schüttle den Kopf und beiße mir auf die Lippen. Till sprüht erneut und ich zische wieder. Das brennt. Bin schon Memme genug! Nur nicht zucken. Dann kommt er mit einem Verband. Immer noch zärtlich. Kann der auch anders? Chris kann anders … und … Gooott … ich spür’s jetzt noch. Seine Finger an meinen Schwanz, seine Faust an den Eiern. Seine Lippen auf meiner Haut, auf meinem Mund. Seine Zunge in mir.
„Geht’s?“
„Besser, ja. Danke, Till. Es tut mir leid!“
Wegdrängen. Dräng ihn weg, den zerstörenden Gedanken an den Callboy!„Vergiss es. Ich habe einfach nicht hingehört. In einem Anfall von Wut sagt man schon mal Dinge, die man gar nicht so meint.“ Mit seinen grauen Augen blickt er mich treuherzig an.
„Du findest mich gut, was?“ Und eigentlich ist es auch echt unfair, das ausgerechnet Till meinen Wutanfall abbekommen hat. Er nickt kaum merklich auf meine Frage hin. Dachte ich’s mir doch. Den Blick eben, und vor allem den vom Samstag, den versteht selbst so ein Snob wie ich.
Fick mich, stand da auf seiner Stirn.
Mach’s mir wild und leidenschaftlich.
Wenn ich könnte, mein Freund, wenn ich könnte, würde ich es glatt machen. Süß bist du ja schon! Kleiner Untenlieger. Kann mir schon vorstellen, dass Micky Spaß mit dir hat.Eine verbale Bestätigung von ihm bleibt mir dann glücklicherweise erspart, denn es klopft und Till streichelt über mein Knie, bevor er sich erhebt. „Das wird Micky sein“, lässt er mich wissen. „Er kommt nach der Arbeit meistens kurz vorbei, um zu sagen, dass er wieder zu Hause ist und wir wollten unseren Abend sowieso gleich gemeinsam ausklingen lassen.“
Till lässt sich nichts weiter anmerken und verschwindet im Flur, um Micky zu öffnen. Krass. Irgendwie grandios. Ich sitze hier wie ein Häufchen Elend und gleich kommt mein bester Freund. Einer von Dreien. Der lacht mich entweder aus oder stampft mich in Grund und Boden. Letzteres vermutlich. Kaum ausgedacht, spüre ich auch schon den Blick im Rücken. Die beiden tuscheln und Micky greift mir unter die Arme und pflückt mich vom Boden.
„Mensch, Alter. Was ist denn los mit dir? Ist was passiert, Cam? Wieso treibst du dich hier rum und bist nicht zu Hause?“
„Dachte mir, ich schaue noch mal im
Black Stage vorbei. Voll für’n Arsch. Gestern und heute sowieso. Wäre wirklich besser zu Hause geblieben.“
„Aha … Verrätst du mir auch, was du da wolltest?“
„Wollte wissen, wer Chrissi ist. Ich hätt’s lassen sollen! Sie ist ein Er.“
Micky lacht schallend los und Till saugt entsetzt Luft in die Lungen. Erstklassig. Ich werde auf die Couch gesetzt und Micky zieht mich in eine Umarmung. Muskeln sind schwer. Ehrlich wahr! Aber jetzt kann ich ja testen, ob’s an Mickys Brust bequem ist. Nur zu gerne. Ich lasse mich gegen ihn sacken und halte meine Hand. Tut fucking weh! Verdammt noch eins.
„Wie kommst du nur darauf, dass Chrissi ein Kerl sein soll? Das wäre Betrug. Das kann sich das
Black Stage gar nicht erlauben! Das kann sich gar kein Club erlauben. Cam, du spinnst dir da wirklich was zusammen.“
„Glaubst du wirklich, oder? Was wäre denn, wenn Tim sich als Mädchen, statt als Kerl herausstellen würde? Schon mal darüber nachgedacht? Wärst du dann immer noch so gelassen?“
„Tim? Der Kleine, der mir einen gelutscht hat? Der ist ein Kerl. Durch und durch. Der ist so ein Sonnenschein, weißt du?“
„Woher willst du das wissen?“
„Weil ich Tim kenne. Nichts ist so dicht, wie es scheint. Das System ist zwar gut, aber dennoch durchlässig. Du hast dich nur nie dafür interessiert, wer sich hinter den Wänden der
Glory Holes aufhält. Deine Fantasie in Bezug auf Chrissi war ziemlich farbenprächtig. Das war doch der Grund, weshalb du damals gar nicht wirklich daran interessiert warst, wer sich hinter dem Namen verbirgt. Aber jetzt, ja? Deine anwaltlichen Fähigkeiten in allen Ehren, Cam, aber du verrennst dich. Tim ist Tim. Dann wird Chrissi auch Chrissi sein.“ Micky schüttelt belustigt den Kopf und bleckt grinsend die Zähne. „Zufällig weiß ich sogar, was Tim unten herum zu bieten hat und das ist in der Tat nicht weiblich bestückt. Mach dir also bloß keine Gedanken, okay? Deine Chrissi wird schon echt sein. Wer weiß, wer dich heute an der Nase herumführen wollte?“
„Sie ist ein Kerl!“, schnaube ich los und versuche, ob meine Beine mich wieder tragen. Will schon stehen, wenn ich das jetzt ausdiskutieren muss. Micky Auge in Auge gegenübertreten, statt in seinem Arm auf der Couch zu versumpfen.
„Die ist ein gottverdammter Kerl“, blaffe ich ihn dann auch direkt weiter an. „Gestern hab ich’s rausgefunden. Er ist mir an die Wäsche und hat sich anschließend über mich kaputt gelacht. Heute hat er mich dann gnadenlos abblitzen lassen. Wollte nicht mal meinen Namen wissen. Hat gesagt, ich soll heiraten und meine verlogene, heile Welt aufrechterhalten. Abgeknutscht hat er mich. Beinahe aufgefressen. Der Arsch! Mich ausgelacht und von sich gestoßen! Verlogener Homo. Hat gesagt, wenn ich … weiß was ich will und … drauf zahle, kann ich wiederkommen. Ehrlich wahr!“
„Cam?“ Micky muss sich das Lachen verkneifen. Best-Friend, was? Oar … „Was ist los mit dir? Du heiratest am Freitag. Was muss Kati nur denken, wenn du so durch den Wind bist?“
„Kati ist weg!“ Und es auszusprechen ist krass.
Ich schließe die Augen und höre Mickys klagenden Laut. Der aufkommende Lachanfall schlägt um in Ernüchterung. Er flucht wie ein Brunnenputzer und reißt mich am Kragen meines grauen Hemdes zu sich. Schüttelt mich durch wie ein Püppchen und schreit mich an. „Sieh mich an, Cam. Verdammte Haxe. Was ist los mit dir? Du liebst Kati. Was genau willst du dir beweisen? Dass du ein ganzer Kerl bist? Das bist du, Cam. Volle Kanone. Dass du es drauf hast? Auch das kann ich bejahen. Du hast es drauf. In allen Belangen. Aber du hast dich für eine weibliche Partnerin entschieden und bist glücklich mit ihr.“
Da stockt er, sieht mich eindringlich an. Mit seinem Satz kann ich gerade nichts anfangen. Dafür hallt der umso lauter in mir nach. Ich nicke nur. Bestätige ihm, was er verbal ausspricht. Es war für mich nie eine Überlegung wert. Eigentlich …
„So, zu gestern: Hat der Typ dich abgefüllt, oder was? Wie kommt es, dass du dich von einem Mann anfassen lässt?“
„Ich …“ Ich trau mich kaum, ihn anzusehen. Mach’s trotzdem und bewege die Lippen. Meine Worte stecken fest. Tief in mir. Verdammt, Micky! „Ich … fand’s gut?“
„Guuuut?“ Micky ist laut. Krass! Mir fliegen die Ohren weg. „Guuut, Cameron?“ Er schüttelt mich weiter, bis ich zu mir komme und mich gegen ihn stemme. „Herrgott noch mal. Wach endlich auf. Liebst du Kati denn nicht mehr?“
„Natürlich. Ich mag sie.“
„Du magst sie?“
„Ich hab sie gern. Ja, verdammt. Ich lieb sie. Sonst würde ich sie kaum heiraten wollen.“
„Und dann findest du es gut, wenn ein Kerl dich anfasst und aufgeilt? Bei mir hast du wie eine Memme die Backen zusammengepetzt!“
Klingt der jetzt echt verletzt? „Du bist ja auch, verdammt noch mal, mein Freund. Was glaubst du? Und provozieren lasse ich mich auch nicht gern.“
„Ach, komm schon, Cam. Du hast deinen Arsch vehement vor mir verteidigt, Freunde hin oder her. Klar habe ich dich provoziert. Die Situation hat geradezu danach geschrien. Du übrigens auch! Das war ziemlich offensichtlich.“ Dann hält er inne. Grinst über beide Wangen, weil mir mein Gesichtsausdruck scheinbar entgleist, und sein Blick wandert weiter zu Till. Sein Grinsen wird dümmlich. „Du kommst also nach unzähligen Jahren endlich mal auf den Trichter, dass da was ist, was es mal zu erkunden gibt? Du bist zu neugierig, Alter. Also, klingt jetzt blöd, aber die Erfahrung zeigt’s. Um dir Sicherheit zu verschaffen, probier’s aus. Frag zum Beispiel Till. Der hat ja sowieso einen kleinen Narren an dir gefressen. Dann könntest du deine Neugierde wenigstens befriedigen und wieder klar denken.“
Micky lässt mich los und wechselt stillschweigende, beinahe verschwörerische Blicke mit seinem Nachbarn. Was soll denn das jetzt? Die tauschen sich nonverbal aus. Geht’s noch? Mir fehlen die Worte. Bin ich jetzt das Versuchskaninchen, oder was? Soll ich am Ende noch meinen Arsch hinhalten? No-Go … Stopp! Und was genau meint der eigentlich mit: endlich auf den Trichter kommen? „Micky, ich …“
Doch Micky hebt die Hände. Bringt mich damit zum Schweigen. „Ich gehe jetzt rüber. Will schnell noch duschen und was futtern und wollte Till eigentlich nur fragen, ob ich zu ihm oder er gleich zu mir kommen wird. Also, ich komme rüber, wenn ich fertig bin. Sollte ich dann stören, müsst ihr ja nicht aufmachen. Viel Spaß ihr Süßen.“
Die Tür schlägt zu und Till starrt diese an. Genau wie ich. Ich stehe da und … hab mich gerade verhört, oder? Fühle mich befangen. Irgendwie! Ist schon krass. Hat Micky das ernst gemeint?
„Till, ich … gehe dann besser. Danke für dein offenes Ohr. Danke für die Krankenpflege. Tut mir echt leid, dass ich ausgerastet bin. Aber ich muss jetzt nach Hause und…“
„Vergiss es. Cameron. Micky hat schon Recht. Wenn du es wissen willst, so für dich, meine ich, dann solltest du es nicht wieder vergraben. Ich biete mich an.“
Fuck! Der Kleine spinnt. Drehen die jetzt alle ab? Himmel noch eins, ich vergesse mich gleich, ich … „Hey, Till. Schlechte Idee. Gaaaanz schlechte Idee. Weißt du, ich bin seit dreiunddreißig Jahren hetero. Und eigentlich weiß ich auch, wie so Gefühlsdinge funktionieren. Bin ja nicht immer so ein Arsch, wie gerade eben. Noch dazu hast du mir eben gesteckt, dass du auf mich stehst. Glaubst du wirklich, ich nutze das aus, nur um mir zu beweisen, dass Kati doch eher mein Ding ist? Das wäre nicht fair. Finde ich zumindest. Du investierst da echt mehr als ich.“ Viel mehr! Ich investiere gar nichts. Vergeudete Zeit. „Das kann schnell nach hinten losgehen und …“
Ich glaub, ich spinne! Wieso guckt der Kleine so? Ich kann’s mir nicht verkneifen, rubbele über meine Stirn. Steht da was? Er kommt auf mich zu, langsam, schleichend. Eine süße, niedliche Katze. Aber Ohren am Kopf hat das Kätzchen schon, oder? Hat er mir überhaupt zugehört? Till ist beinahe einen Kopf kleiner als ich. Das ist doch Irrsinn. Völlig verrückt. Ich bin desorientiert. Aber der Klopfer in mir, der findet’s total aufregend und spannend. Schlägt bis zum Hals. Mein Muskel pulsiert, als wären zehn Schlagmänner gleichzeitig am Werk. Ich weiche zurück. Reiner Reflex. Bis ich die Couch in den Kniekehlen hab und versinke.
Auf der Couch und mit den Augen in seinen. In dem grauen Blick, der mich gefangen hält und nicht mehr loslässt. Die kleine Katze klettert auf mich, setzt sich, als wär’s normal, auf meinen Schoß. Dann schiebt er sich vor, so weit, bis … Großer Gott, der hat einen Ständer. Und was für einen. Ich spüre ihn überdeutlich. Hugo Boss sei Dank. Nichts ist mit Jeans, die das abfangen. Kann mich kaum noch rühren. Bin wie gelähmt. Horche in mich und schnaube. Ist das normal? Das ist Nervosität. Nichts weiter. Ich fühle mich überrumpelt und hab einen süßen, schnurrenden Homo auf mir sitzen. Ist doch eigentlich Katis Platz.
Fuck!
Blutsturz. Das ist echt nicht mehr witzig. Der macht mich an. Wenn der so weiter guckt, begrabe ich ihn unter mir. Typ hin oder her. Dann garantiere ich für nichts mehr. Aber ich sitze immer noch da und bin bleiern. Tue nichts. Gar nichts. Und Till auch nicht. Außer sich an mich zu pressen, die Augen zu schließen und flach zu atmen. Genießer schweigen, oder wie war das? Und jetzt?
Hey, Till … Wach auf! Doch er genießt. Was genießt er? Meinen Ständer an seinem? Ja, ich geb’s zu. Da kommt was. Eine Halblatte. Bei dem Blutsturz aber auch kein Wunder. Ich sag’s ja. Da stimmt was nicht mit mir. Bei Kati kommt der auch hoch. Und Till ist ja Untenlieger. Mein Gehirn merkt’s nur einfach nicht, dass es ein Kerl ist und kein Mädchen! Ich funktioniere einfach nicht mehr. Vorher schon nicht, bei Chris. Aber der stimmt ja auch nicht! Verrückte Sachen, die da gerade abgehen und ich mittendrin. Völlig verrückt!
Ich! Bin! Kein! Homo!
Alle wissen das. Ich vorneweg. Kati könnte auch supergut mitreden. Selbst Chris hat’s gecheckt. Sogar Micky hat’s eben noch gesagt. Das ist keine fünf Minuten her. Till zieht die Unterlippe ein. Direkt zwischen seine herrlich blitzend weißen Zähne und blinzelt. Über das Grau seiner Augen legt sich ein leichter Schleier und seine Hände tasten sich vor. Streichen über mein Hemd, über die Brust, hoch zum Hals und an meinen Wangen entlang. Zart. Sanft. Ein Prickeln erfasst mich. Er kann nicht anders. Ich dacht’s mir fast. Aber ist schon süß, der Kleine. Hoffe nur nicht, dass er hofft, dass ich jetzt mitmache. Mir entkommt ein Stöhnen. Nicht vor Verlangen! Definitiv nicht. Ich kann das einfach nicht. Kann mich aber auch nicht rühren. Nicht mal einen Reflex löst’s in mir aus. Anscheinend bin ich nicht nur versnobt, sondern auch noch verklemmt. Und wie! Ganz was Neues für mich. Cameron, der Offensivspieler, geht in die Passivgeschichte ein.
Gooott, diese zarten Finger. Wühlen sich in meine Haare, kratzen über die Kopfhaut und dann kommt er näher, atmet schneller. Riecht schon gut, der Kleine. Ich drücke mich zurück in die Polster. Immer weiter hinein. Ich kann das nicht. Mittlerweile sind’s zwanzig Schlagmänner, die in mir für einen echt fiesen Beat sorgen.
Cameron! Wach auf!Ich hebe die Hände, will ihn wegdrücken und Till seufzt leise auf, als ich mit den Handflächen auf seinem Brustbereich ankomme. Genießerisch seufzt er. Beugt sich vor und legt seine Lippen auf meine. Schiebt sich an mich. Näher, ganz nah. Meine Hände zwischen unseren Leibern einklemmend. Ich könnte jetzt …
Drück ihn weg, Mann. Sofort!Uhm, sind die weich, die Lippen. Bewegen sich auf meinen. So zögerlich! Kann er echt nicht anders? Ich flippe gleich aus. In mir sprudelt’s und der nächste Ausbruch bahnt sich an. Sein Schwanz drückt herrlich fest an meinen. Ich sterbe gleich. Denn eigentlich … ist’s schon ganz geil! Aber es laut sagen, das mache ich nicht. Niemals! Vorher gehe ich zum Arzt. Lasse mich checken. Und wehe, der findet Drogen in meinem Blut.
Wehe, Tjard. Dann lauf, so weit du kannst.Ich hab überall Gänsehaut. Die breitet sich aus und ein Zittern gesellt sich zu dem Sprudeln dazu. Einfach so! Macht mir ja schon ein bisschen Angst. Till will, dass ich mitmache. Das ist … irgendwie niedlich. Der ist so weich und zierlich. Irgendwie hat er was Weibliches an sich. Kati küsst auch so. Kati. Kati! Und dann kommt doch noch der langersehnte Reflex. Ich stoße ihn von mir. Reiße seine Lippen von meinen.
„Ich kann das nicht!“, herrsche ich ihn an. „Ich bin nicht wie ihr. Ich kann’s nicht! Ich. Kann. Es. Einfach. Nicht. Fuck, verdammt.“
Doch als ich rausstürmen will, unterwegs mein Jackett vom Boden aufsammele und die Tür aufreiße, blockiert Micky den Fluchtweg. Ich laufe voll in ihn rein. Fokussiere meine Wut, stemme mich gegen ihn und drücke ihn rückwärts. Begleitet mit einem Knurren aus der Tiefe meiner Kehle heraus. Mein angespannter Unterarm hängt an seinem Hals und Micky wird gezwungen, erst einen, dann einen zweiten Schritt, raus auf den Flur des Wohnhauses zu tun. Ich bin richtig sauer. Fühle mich verarscht. Von vorne bis hinten.
„Du bist schuld. Du sauberer Freund, du! Geh mir aus den Augen, Micky. Ich schwör’s dir. Geh mir bloß aus den Augen und fass mich nie wieder an. Lass deine Finger von mir. Sonst lernst du mich kennen!“
Micky schnauft aus. Greift meinen Arm und dreht ihn weg. Kraft kostet’s ihn schon, aber er schafft’s doch irgendwie. Dreht meinen Arm bis auf den Rücken und drückt mich von sich. Ich will mich befreien. Will weg hier!
Fickt euch doch selbst, Mann. Aber ich kann nicht. Mickys Griff ist zu fest.
„Was zum Teufel ist denn in dich gefahren, hm?“
Er geht vorwärts und schiebt mich diesmal rückwärts. Immer weiter. Bis ich wieder in der Wohnung stehe, die Wand des kleinen Flurs im Rücken und seinen Blick auf mir liegen hab. Böse! Er schnauft wie ein Stier. Nichts mehr mit Baby. Die Tür fällt hinter ihm durch einen Tritt mit seinem Fuß einfach zu.
„Cameron! So viel negative Energie, heute? Alles klar, Till?“, fragt er dann nach links.
Ach ja, der Kleine steht wohl auch noch irgendwo da rum. Ich kann’s nicht sehen. Kann mich kaum drehen, sonst ist nicht nur die Hand, sondern auch die Schulter hinüber. Die Konzentration von Micky weglenken wäre jetzt auch nicht sehr geschickt. Till antwortet noch nicht mal. Schweigt sich aus, oder was?
„Hey, Till. Ich hab dir nichts getan. Hab dich, verdammt noch mal, nicht angerührt. Weder so, wie ihr das vorhin verabredet habt, noch so, wie Micky gerade denkt. Sag’s ihm. Du bist unversehrt, Kleiner.“
„Halt’s Maul, Cam. Sei still. Du hast jetzt Sendepause.“ Und dann ist da Micky, so nah. Hautnah. Sein Atem auf meinem Gesicht. Presst seine Lippen auf meinen geöffneten Mund. Wollte eben zurückschnauzen, da überfällt der mich. Ein Kribbeln breitet sich in mir aus. Zieht bis in die Lenden. Und noch was kehrt zurück, als wär’s seit Chris’ Überfall nie weg gewesen: Ein zermürbendes Begehren! Ein Aufbäumen und Bocken in mir. Mickys Finger graben sich in meinen Nacken. Fest und unnachgiebig.
Das Atmen fällt mir verdammt schwer. Ich will reinfallen in den Kuss. Mein Unterleib ruckt nach vorne. Verräter! Drückt sich an Mickys. Fester!
Gooott, bitte! Fester, Micky! Jetzt hast du mich. Du hast es geschafft, du Homoarsch! Mich dort hingekriegt, wo du mich haben willst. Sein Schenkel hilft nach. Schiebt sich zwischen meine und erhöht den Druck. Ich will … Ich kann nicht … Muss mich an ihm reiben. Becken an Becken. Ich muss, ich muss, ich muss … Stöhne frustriert auf. In seinen Rachen hinein und er antwortet mir. Ein dunkler Ton, der in mir widerhallt und eine Welle auslöst.
Meine Eier sind zum Bersten gespannt. Die ziehen sich erwartungsvoll zusammen und platzen gleich. Ich fühle mich überreif. Aber so was von. Er schiebt seine Zunge zwischen meine Kiefer. Roh und gewaltig. Nimmt sich alles, was ich ihm gebe. Es fühlt sich an, wie eine Kampfansage und er hält mich immer noch fest. Doch das bisschen Gegenwehr, das ich noch liefere, ist geradezu lachhaft. Ein bisschen bocken, Position behaupten, nur um immer weiter zu fallen. Das merkt er, bleibt jedoch hart.
Ein Statement, schießt es mir wirr durch den Kopf.
Nein! Nicht, Micky. Bitte! Das hat Chris schon gesetzt. Es reicht!Ich keuche auf und wimmere gleichzeitig los. Taste mich vor. Eine Hand ist ja frei. Schiebe sie auf seinen Rücken, unter das Shirt und fühle Wärme, feste, kräftige Muskeln, die unter meiner Handfläche arbeiten und zucken, Schauer, die über seine Haut kriechen und sich auf mich übertragen. Atemlos zieht er den Kopf zurück, fragend und … irgendwie entrückt und ich komme ihm nach. Will mich verbeißen in diesen kompromisslosen Lippen. Noch mal kosten.
Halt, Micky. Wo willst du hin?Ist gerade so gut. So berauschend. Meine Nerven flattern. Hitze breitet sich aus, wie Lava. Bis in den letzten Winkel von mir. Heiß, kochend und brodelnd. Ein Vulkan, bereit zum Ausbruch. Ich glühe und halte die Luft an. Will noch nicht aufhören.
Nicht doch! Du hast doch gesagt, ich soll’s dich wissen lassen, wenn … Ja, was eigentlich? „Micky, bitte!“ War ich das? Ich bettele? Ich? Miau!
Cameron, du mutierst zu ’ner Katze. „Ich will …“ Ich weiß es nicht.
Ich. Weiß. Es. Einfach. Nicht.
Was will ich? Mehr. Einfach nur mehr. Gib mir mehr! „Micky“, flüstere ich und er zieht sich weiter zurück. Lässt meinen Nacken los und geht einen ersten und einen zweiten Schritt von mir weg. Möchte sich ganz von mir lösen und schafft’s nicht. Denn ich folge ihm stetig und halte ihn fest.
Noch zwei Schritte, mein Freund. Nur noch zwei. Hinter dir ist die andere Wand von dem kleinen Flur. Er fixiert mich mit den Augen und ich ihn, bis er andockt. Ich pinne ihn mit meinem Körper fest und mache weiter. Kopiere ihn. Mit einer Hand in seinem Nacken, meinen Lippen auf seinen. Hungrig!
Gooott, füll meine Leere aus, jetzt sofort! Jetzt mach schon, Micky! Das macht mich an. Dieser Körper. Dieser Mann. Dieser ganze Mann. Dieses Testosteron. Micky compact. Ich taste mich weiter vor. Werde mutig. Streiche über seine Brust und seinen Bauch, seine Hüfte hinab. Spüre immer wieder Muskulatur und festes Fleisch. Zwischen unseren Lippen explodiert ein kleines Feuerwerk und Micky keucht auf. Wegen mir! Ist das abgefuckt geil!
Dann zieht er mich an sich. In einer einzigen gewaltigen Bewegung. Mit seinen Pranken an meinem Hintern, bis ich gegen in pralle. Härte an Härte. Puls an Puls. Ich spüre das und gerate ins Wanken. Schwimme. Meine Beine werden schwach. Ich ringe nach Luft, atme flach. Immer flacher. In mir flimmert’s. Punkte vor den Augen. Gleich bin ich weg!
„Langsam, Cameron.“ Micky hält mich, flüstert die Worte an meinem Mund, streichelt beruhigend über meinen Rücken und meinen Hintern und weiter nach unten. Massiert meine Backen, gleitet tiefer, liebkost meine Schenkel. Jedem Zentimeter spüre ich nach, bis er meine Lippen stoppt, die immer wieder auf seine prallen. Zärtlichkeit hineinlegt und der Rohheit Einhalt gebietet. Es fühlt sich an, als würde er den Rückwärtsgang einlegen, statt in den Sechsten hochzuschalten. Er saugt an meiner Zunge, umschmeichelt sie, lässt meine Sinne dadurch noch mehr tanzen und meinen lachhaften Aufstand kapitulieren.
Ein bisschen stört’s mich. Dieses
nicht in die Pötte kommen. Aber ich füge mich seinem Tempo. Kann nur von ihm lernen. Meine Hand tastet weiter. Wohin will ich? Weiter! Immer weiter! Ich schiebe sie zwischen uns, zwischen unsere Ständer und packe zu. Micky röchelt, laut und deutlich, wird immer sanfter mit den Lippen, während ich unten energischer werde. Jetzt will ich es schon genauer wissen.
Ist ja auch nichts Neues für mich. Hab schon tausende Male einen Schwanz massiert. Aber halt nur meinen. Dieser hier ist nicht meiner. Ich mach einfach weiter. Jetzt hab ich ein Ziel. Darf nur nicht dran denken. Ich spüre seine Hand, wie sie in meine Arschbacke greift, sie knetet, mich in den Wahnsinn treibt und anschließend an meiner Pofalte entlangfährt. Zwischen meine Beine gleitet und mir dadurch ein ungeduldiges Knurren entringt. Da sind zwei Lagen Stoff und ich wünschte, ich könnte es ändern. Auf der Stelle. Darf nur nicht dran denken.
Nicht dran denken, Cam. Schalt ab. Schalt einfach ab! Ich drängele erneut. Fordere. Stöhne auf und presse mich noch fester an ihn. Gooott, der macht mich wahnsinnig.
Friss mich, Micky. Überfall mich, fass mich an und zeig’s mir. Verflucht noch mal, tu endlich was! Seine Jogginghose ist weit. Gerade eben hab ich es herausgefunden. Von oben schiebe ich meine Hand rein, nehme die Boxer gleich mit. Nicht aufhalten lassen. Nicht jetzt! Auch hier ist er warm. Nein! Eher heiß und schwitzig. Micky bebt, schnauft aus, als meine Kuppen über seine vibrierenden Lenden tasten, sich vorarbeiten, durch das Schamhaar streifen und an seinem Ständer ankommen. Definitiv mehr als passabel. Ich umfasse ihn, pumpe geübt.
Du fühlst dich gut an, Ben Hur!Ein Keuchen dringt an mein Ohr, eine Hand greift fest in meine Haare. Da ist er wieder! Micky compact. Zurück in der Offensive. Mein Gegenspieler.
Fair play, Kumpel. Weißt du, oder?Seine andere Hand streicht verteufelt fest und sündig gut über meine Geilheit. Mehrmals! Umfängt meine Eier und knetet sie durch den Stoff. Ich verziehe das Gesicht, keuche erschrocken auf und dränge mich seinen Fingern noch weiter entgegen.
Atmen, Cameron. Atmen! Es geht schon weiter!Micky fährt fort, nestelt an Hugo Boss herum. Fahrig und ungeduldig. Gürtelschnalle, drei Knöpfe. Feinstes Design auf festen Hüften. Ja, ich hab auch was zu bieten. Ich streiche weiter über seine Erektion. Lässig und fest. So wie ich es bei mir gerne mag. Sein Schwanz pulsiert in einem fort in meiner Hand.
Ruhig, Micky. Ich weiß, das ist gut. Verdammt gut, so ’ne Hand, die weiß, was sie macht. Vertrau mir, ich kann das.
Erfreue mich dabei an deiner Mimik. An den Gefühlen, die darüber huschen. Erstaunen, Leid, Geilheit. Auf mich! Das kickt mich! Als ich ihm helfen will, Luft zwischen unsere Körper lasse, um meine Hose zu öffnen, tritt da aber noch ein anderer Ausdruck in seine Augen. Es schlägt bei ihm ein wie ein Blitz. Erkenntnis! Einsicht und … da ist auch Bedauern! So ein dämliches, scheiß Bedauern! Wo kommt das plötzlich her?
Nein, Micky. Nicht, ich will … Mit einem Ruck schiebt er mich von sich. Hält mich auf Armeslänge und pumpt schnaufend Luft in die Lunge. Es ist vorbei!
„Schluss jetzt“, wispert er. Für mich kaum hörbar, mein Blut rauscht zu laut. „Cameron! Schluss jetzt!“, wiederholt er und ich hab’s doch richtig verstanden. Es hallt dumpf in mir wider. Zerbricht etwas in mir. Meine Arme fallen von ihm ab. Mein Kopf sinkt auf meine Brust und meine Augen gehen gen Boden. Ich bin aufgeputscht. Atemlos. Hab Probleme beim Stehen und mit jeder Sekunde, die verstreicht, schleicht sich Scham hinzu. Falsche Scham. Ich weiß das, aber ich kann’s dennoch nicht ändern. Meine Wangen brennen, meine Kiefer malmen.
Das bin also ich! Grenzwertig. Armselig. An der Neugierde verbrannt. Gebranntes Kind scheut Feuer. War doch so, oder? Danke für das Statement, Best-Friend Micky. Danke, für diese … nicht sehr nette Lektion! Mit einem Ruck reiße ich Mickys Hände von meinen Schultern, die mich noch immer von ihm fernhalten wollen.
Es ist vorbei. Ich bin geerdet. Verwirrt und enttäuscht. Und für Kati bin ich wohl die Enttäuschung schlechthin. Ein wahr gewordener und ausgewachsener Alptraum. Meine Schultern sacken nach unten und ich bücke mich erneut nach meinem Jackett, dessen Ärmelabschluss ebenfalls blutig aussieht. Hier hab ich nichts mehr zu suchen. Vor allem nicht in Tills Wohnung, der wie angewurzelt und versteinert neben uns steht.
Tut mir leid, Kleiner. Geplant war’s so nicht.Micky sagt was, doch da ist nur noch ein Rauschen. Wortlos verlasse ich die beiden. Werde nicht aufgehalten und will nicht aufgehalten werden.
Zeit! Ich brauche Zeit. Aber ich hab keine mehr. Morgen schon kommt die nächste Konfrontation. Und wenn ich fair bin, auch ein offenes Gespräch. Bin ich ein Arsch und blase die Hochzeit ab oder bin ich ein Arsch und ziehe es durch? Verdrängen oder draufstürzen auf die neue Erkenntnis.
Bin ich bi? Vielleicht ein bisschen mehr von der oder jener Seite? Ich weiß es nicht. Da fehlen einfach Erfahrungswerte. Erfahrungen, die offensichtlich niemand mit mir austauschen will. Ich bin heilfroh, dass sich mein Gemüt auf dem Heimweg wieder etwas beruhigt. Morgen rede ich mit Kati. Sie muss es verstehen. Lieb sie doch. Immer noch. Das verpufft ja nicht einfach mal so. Auch wenn ich noch ganz andere Interessen zu haben scheine.
Wie ist das eigentlich mit Kati im Bett? Wie war das am Samstagabend? Oder am Sonntag?
War es gut? Es hat Spaß gemacht.
War es gut? Es war befriedigend.
War es gut, Cameron? Antworte doch einfach auf die Frage. Es war … wie immer. Ernüchternd. Okay, so komme ich nicht weiter! Wann bin ich gekommen? Als Chrissi mich in Gedanken heimsuchte? Als Valetta kurz auftauchte? Oder bei dem Gedanken daran, wie Mickys Ständer an besagtem Morgen den meinen berührt und er mich provoziert hat? Ich weiß es nicht! Doch … eigentlich weiß ich es schon. Ich hab losgelassen, als ich an Chrissis Blowjob dachte. Chrissi also. Eher Chris. Der Mann, den mein Name nicht interessiert.
Bin ja nur ein dämlicher Kunde. Ein schwuler Kunde? Oder doch bi? Wieder tut es ein klein bisschen weh. Das
Black Stage sieht mich nie wieder! Micky auch erst mal nicht. Vermutlich brauche ich eine Runde mit Tjard und Busse. Wenn die mir von ihren Kätzchen erzählen, kommt die Lust auf die Miezen von alleine zurück. Wäre doch gelacht. Der Sinneswandel kam ja auch plötzlich. Dann kann er genauso schnell auch wieder verschwinden.
Morgen wäre eine letzte Gelegenheit mit den Freunden zu chillen, vielleicht auch zu reden. Morgen kommt aber Kati und sucht das Gespräch mit mir. Sie wird bleiben, ich bin mir ganz sicher. Dann übermorgen mit den Kumpels! Nein. Kati bringt mich um. Ein Tag vor der Hochzeit. Die lässt mich nicht aus dem Haus. Eher zeigt mir Kati-Katze ’nen Vogel, wenn ich ihr sage, dass ich saufen gehen will.
Ich betrinke mich einfach heute Abend. Bin ja sowieso alleine zu Hause. Knips mir die Lichter aus und hab ein paar Stunden Ruhe. Keine dummen Sprüche, keine Homos, keine Heten, kein nerviges Weib. Keine grünen, keine grauen und auch keine blauen Augen, wie Micky sie hat. Keine Muskeln. Kein Schwanz an meinem. Keine Hand auf mir. Kein Keuchen. Kein Stöhnen. Kein Schlagmann, der den Takt in mir vorgibt. Keine Lava, kein Brodeln und …
Nie wieder Lava!
Die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht, härter als angenommen, und lässt mich beinahe straucheln. Ich bleibe stehen und stützte meine Hände auf die Knie. Nie wieder Lava! Nie wieder dieses irrsinnige Gefühl, das mich heute geflutet hat. Diese Rohheit, diese Unverfälschtheit. Diese Begierde nach mehr und noch mehr und noch mehr. Da werden die Runden mit Kati blass dagegen. Und zwar gnadenlos. Es ist ein Schock. Am liebsten möchte ich es in die Nacht schreien aber es steckt einfach fest. Krieg’s nicht aus mir raus. Es frisst sich durch mich durch und gefriert in den Adern. Macht mir Angst. Eine gottverdammte, abgefuckte Angst. Wieso merkt das denn keiner? Wieso hat Micky mich nicht festgehalten, aufgefangen? Wieso lässt er mich gehen?
Statement, Cameron! Ganz einfach, oder?Dein Saubermannfreund wollte dir nur was beweisen. Wie Chris! Mr. Christopher Arroganz. Bist doch erwachsen. Kommst doch alleine klar. Geh doch ins Sixtie. Da gibt’s genug Schwule. Finde raus, was du willst. Nein. Never. Ich bin nicht so. Ich hab keine Hörner, die ich mir abstoßen muss. Ich bin dreiunddreißig Jahre alt und Anwalt. Eigentlich finde ich eine Beziehung auch ganz cool. Heimkommen. Wissen, wo man hingehört und eigentlich … ja … eigentlich wollte ich am Freitag auch heiraten.